Ein anhaltend heißer und trockener Sommer, wie er (zumindest seit Beginn instrumenteller Wetterbeobachtungen) noch nicht vorgekommen ist, verdient nun wirklich eine Sonderausgabe. Er fing gar nicht mal so spektakulär an und endete in einem ‚Och, schon wieder ein Rekord‘.
Wetterlage
Bereits seit einigen Monaten war die Strömung der Nordhemisphäre außerhalb der Tropen durch mehr oder weniger starke Meridionalität geprägt. Das heißt, dass sich in höheren Luftschichten stabile Hochdruckgebiete bzw. Tröge ausbilden (zu denen am Boden Hochs bzw. Tiefs gehören) und warme Luft weit nach Norden bzw. kalte Luft weit nach Süden transportiert wird. Das Gegenstück ist eine zonale Wetterlage mit unbeständigem Wetter.
In diesem Jahr nun bildeten sich Ende Juni sowohl über Mitteleuropa als auch über Südrussland recht kräftige Hochdrucklagen aus, die in Mitteleuropa zu einer starken Hitzewelle führten. In Russland war es zwar auch sehr warm bis heiß, es blieb aber alles zunächst im Rahmen. Die Trockenheit wurde allerdings stark. Anfang Juli existierte dann zeitweise ein mächtiger Hochdruckblock zwischen Westeuropa und dem Ural, der im Westen ab der zweiten Juli-Dekade abgebaut wurde. Stattdessen machte sich dort ein Trog breit. Die Folge war, dass die Heißluftzufuhr nach Osteuropa (und besonders ins mittlere Russland) jetzt erst richtig einsetzte. Ende Juli purzelten schon reihenweise die Hitzerekorde. Gut, auch so etwas kann passieren. Das wirklich Ungewöhnliche an der Wetterlage war allerdings, dass die Zufuhr extrem heißer Luft über Wochen anhielt und die Hitzerekorde nicht nur einmal (pro Station) gebrochen wurden, sondern an mehreren Tagen. Gleichzeitig war es großflächig trocken bis sehr trocken. Erst Mitte August stellte sich die Wetterlage um und es kühlte sich merklich ab. Vor allen Dingen: Es regnete wieder.
Die Hitze
Die Karte zeigt die Abweichung der Anzahl der Heißen Tage (Höchstwert der Temperatur mindestens 30°C) vom Durchschnitt der Jahre 1961-90 in schwarzen Zahlen.
Die roten Zahlen geben an, wie häufig die bisherige absolute höchste Temperatur erreicht oder getoppt wurde.
In Moskau wurde von Juni bis August die 30°C-Schwelle 43-mal erreicht oder überschritten, das sind 36 Tage mehr als normal. Der bisherige absolute Höchstwert von 36,8°C wurde an 6 Tagen überschritten, der neue Höchstwert beträgt jetzt 38,2°C. In der folgenden Karte sind die Höchsttemperaturen dieses Sommers dargestellt.
Im Forum der Wetterzentrale hat der User Sigward in seinem sehr lesenswerten Beitrag darauf hingewiesen, dass dort vielleicht nur wegen der starken Rauchentwicklung aufgrund der Waldbrände (wodurch auch immer entstanden) die 40°C nicht erreicht wurden. Die Moskauer Bevölkerung ist darüber vermutlich nicht gerade unglücklich.
Der Schwerpunkt der Hitze lag aber etwas weiter südlich, etwa in der Region Tambov. Noch nie wurden an dieser Station 40°C erreicht – in diesem Jahr dafür gleich an 8 Tagen sogar überschritten. Der alte Rekord von 38,4°C wurde an 14 Tagen geschlagen. In Pensa, Voronesh, Saporoshje, Wolgograd und Rostov (Don) war das Erreichen der 40°C-Schwelle ebenfalls eine Premiere (in Simferopol und Charkiv wurden 40°C knapp verfehlt). Der höchste Wert im Gebiet wurde in Taipak im nordwestlichen Kasachstan mit knapp 43°C erreicht, dort war es aber auch schon heißer.
Ein weiteres Indiz für die Außergewöhnlichkeit der Hitze ist die Abweichung bei den Tropennächten (Tiefsttemperatur beträgt mindestens 20°C).
Hier erstreckt sich ein breites Band mit einer Abweichung von 20 Tagen oder mehr von Moldawien bis zur mittleren Wolga. Meistens beträgt die Abweichung ein Vielfaches des Normalen. In Kiev, Voronesh und in Rostov (Don) lag diese Abweichung bei 33 Tagen, also bei mehr als 4 Wochen! Normal sind dort 1-2 (bzw. 13 für Rostov) Tage. In Odessa und Astrachan betrug die Abweichung 35 Tage, dort sind 13 bzw. 22 Tage normal. Die zweithöchste Abweichung wurde mit 42 Tagen in Saratov erreicht (normal: 10 Tage) und in Atyray waren es 46 Tage mehr als üblich (normal: 30 Tage).
Am auffälligsten ist allerdings die geringe Abweichung im sonst so heißen Tambov mit nur 12 Tagen (auch hier sind 2 Tage normal).
In Nordrussland hielt sich die Hitze dagegen in Grenzen, die Ausläufer erreichten zwar noch Archangelsk, Rekorde wurden dort aber nicht gebrochen. Allerdings sind weder in Kotlas noch in Archangelsk Tropennächte wirklich zu erwarten, der Mittelwert ist kaum größer als null. In diesem Jahr gab es aber 5 (Kotlas) bzw. 7 solcher Nächte. In Archangelsk trat übrigens sowohl im Juni als auch im August Frost auf. Weiter östlich an der Pechora war der Sommer eher normal.
Im Süden des Gebietes (also Moldawien, Ukraine, Südrussland und Kasachstan) war die Hitze, was die Höchsttemperatur angeht, nicht so heftig wie weiter nördlich. In Kasachstan kann es wie erwähnt durchaus heißer sein als in diesem Jahr. Die Abweichung bezüglich der Zahl der Heißen Tage und der Tropennächte ist aber ebenfalls erheblich (Atyray wurde ja schon erwähnt) und in Simferopol gab es mit 39,8°C einen neuen Wärmerekord.
Insgesamt waren Juli und August in den meisten Fällen die wärmsten Monate seit Beginn der Aufzeichnungen (die es z.B. in Moskau seit 130 Jahren gibt).
Die Trockenheit
Bereits Ende Juli setzten Wald- und Torfbrände ein, bevorzugt in der Gegend von Nischni-Novgorod. Es kommen mehrere Ursachen in Betracht: Brandstiftung, Fahrlässigkeit, auch Selbstentzündung. Zudem wurde das System zum Schutz vor Waldbränden drastisch reduziert, so dass Löscharbeiten zu spät einsetzten. Die Trockenheit hat nicht nur die rasche Ausbreitung begünstigt, sondern die Löscharbeiten auch kräftig behindert. Als Folge waren erhebliche Gebiete in Rauchwolken gehüllt, die die Sicht auf unter 1000 m herabsetzten. Dieser Rauch hat zusammen mit der Hitze zu erheblichen Gesundheitsbelastungen und einer unbekannten Zahl an Toten geführt (die Rede ist von 50% mehr Sterbefällen als normalerweise, die Angabe ist aber nur schwer bis gar nicht zu überprüfen).
Die nächste Karte zeigt, wieviel Prozent des üblichen Niederschlags im Juni und Juli in diesem Jahr gefallen sind ( Die Tabelle darunter zeigt die Werte für Juni, Juli und August einzeln).
Allgemein war die Niederschlagsspende in diesen beiden Monaten westlich der Linie St. Petersburg-Kiew-Simferopol normal bis reichlich, ebenso im Norden und Nordosten. Der größte Teil des Gebietes verzeichnet dagegen ein Defizit. In Astrachan blieb es praktisch trocken, dort gab es weniger als 1 mm. Die 16 mm von Kasan (die bis zum 11.7. fielen) sind auch nicht gerade üppig und entsprechen 12% des Durchschnitts. Und das bei der Hitze…
Tabelle: Niederschlag in % des Durchschnitts (1961-1990)
Station | Juni | Juli | August | Gesamt |
Astrachan | 5 | 0 | 5 | 4 |
Aktobe | 12 | 14 | 10 | 12 |
Uralsk | 12 | 16 | 20 | 15 |
Mahachkala | 30 | 17 | 2 | 16 |
Kasan | 3 | 21 | 57 | 27 |
Atyray | 0 | 80 | 8 | 29 |
Taipak | 52 | 6 | 28 | 31 |
Saratov | 61 | 38 | 2 | 33 |
Ufa | 18 | 24 | 65 | 35 |
Orenburg | 4 | 29 | 98 | 41 |
Tambov | 48 | 15 | 101 | 47 |
Rostov (Don) | 16 | 113 | 9 | 48 |
Moskau | 59 | 14 | 88 | 51 |
Nishnij-Novgorod | 66 | 6 | 92 | 52 |
Ishevsk | 38 | 26 | 97 | 53 |
Charkiv | 34 | 63 | 76 | 57 |
Jekaterinburg | 66 | 77 | 61 | 69 |
Voronesh | 44 | 32 | 154 | 71 |
Syktyvkar | 139 | 41 | 54 | 74 |
Smolensk | 89 | 29 | 111 | 79 |
Petrozavodsk | 127 | 57 | 73 | 83 |
Kiev | 119 | 71 | 78 | 89 |
Kostroma | 119 | 0 | 151 | 97 |
Vologda | 143 | 9 | 151 | 97 |
Pechora | 139 | 97 | 86 | 103 |
Brest | 89 | 88 | 138 | 105 |
Kaliningrad | 45 | 120 | 138 | 105 |
Lviv | 92 | 79 | 165 | 107 |
Murmansk | 116 | 147 | 79 | 111 |
Perm | 181 | 14 | 152 | 111 |
Chisinau | 109 | 110 | 127 | 114 |
Narjan-Mar | 140 | 85 | 140 | 122 |
Odessa | 117 | 207 | 10 | 123 |
St. Petersburg | 191 | 81 | 119 | 124 |
Minsk | 164 | 113 | 122 | 133 |
Simferopol | 223 | 148 | 5 | 135 |
Riga | 62 | 139 | 206 | 141 |
Archangelsk | 162 | 167 | 103 | 143 |
Kurgan | 268 | 50 | 131 | 146 |
Pskov | 162 | 81 | 208 | 149 |
Vilnius | 186 | 189 | 159 | 179 |
Der Niederschlag von Saratov ist übrigens zu zwei Dritteln an einem Tag (im Juni) gefallen, da hat anscheinend ein kräftiger Schauer das Messgerät getroffen und damit die Regenmenge noch auf 50% des Schnitts gehoben. In Pensa (östlich von Tambov) war der diesjährige Juli der trockenste seit mindestens 60 Jahren. Ansonsten ist zwischen Woronesch und der Wolga nur etwa ein Drittel des normalen Niederschlags gefallen, südöstlich der Wolga war es noch weniger. Von Ausnahmen wie Saratov abgesehen, verbesserte der August die Lage schließlich. Die ersten zwei Wochen des Monats fiel in den Trockengebieten allerdings auch nur wenig bis kein Niederschlag, so dass sich die Situation bis zur Monatsmitte weiter verschlechterte.
Fazit
Ein Sommer, den niemand braucht. [Gut, in anderen Weltgegenden ist ein solcher Sommer normal. In anderen Gegenden hingegen ist ein Sommer mit täglich höchstens 10°C und täglichem Regen (oder auch Schnee) normal. Willste sowas haben, lieber Leser, liebe Leserin? Siehste…]
Anfang der 1970er Jahre gab es in der europäischen Sowjetunion schon mal einen heißen und vor allem sehr trockenen Sommer. Der August 1972 war in Kasan (0 mm Niederschlag) und in Nishnij-Novgorod der trockenste August-Monat seit Beginn der Messungen. Auch damals gab es zahlreiche Wald- und Torfbrände.
Von den Temperaturen her kam der damalige Sommer an den diesjährigen aber nicht heran.
PS: Die Daten hat Steffen Naumann akribisch zusammengetragen und so aufbereitet, dass ich mich nur noch um die Grafiken und den Text kümmern musste. Vielen Dank dafür.